Chronischer Schmerz

Hintergründe und Erscheinungsformen

Laut Allianz Chronischer Schmerz Österreich leiden rund 20% der über 16-jährigen Österreicherinnen und Österreicher an chronischen Schmerzen.

Chronisch nennt man Schmerzen dann, wenn sie wiederkehrend oder ständig über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten auftreten. Es gibt viele verschiedene chronische Schmerzerkrankungen, wie z.B. Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Bauchschmerzen, Gelenkschmerzen, Gesichtsschmerzen, Phantomschmerzen nach Amputationen, allgemeine Muskel- oder Bindegewebsschmerzen oder Rheuma.

Chronische Schmerzen können als Dauerzustand, aber auch in Form von zeitlich begrenzten, jedoch wiederkehrenden Schmerzepisoden (wie bei Migräne) auftreten. Chronischer Schmerz ist zunächst über den Zeitraum definiert, in dem er wiederholt auftritt. Wie stark Betroffene durch den Schmerz in ihrem Alltag, in ihrer körperlichen Aktivität, in Beruf und Familie beeinträchtigt sind, ist sehr unterschiedlich.

Chronischer Schmerz kann ganz unterschiedliche Körperregionen und Körpersysteme betreffen. Dementsprechend vielfältig sind die Ursachen: beispielsweise als Folge einer körperlichen Ursache – etwa im Rahmen einer Entzündung, eines Bandscheibenvorfalls, von Rheuma oder auch infolge einer Tumorerkrankung.

Häufig ist jedoch kein organisches bzw. körperliches Problem feststellbar. Besonders bei chronischen Rücken- oder Kopfschmerzen, worunter sehr viele Menschen leiden, lassen sich oft keine spezifischen organischen Ursachen feststellen. Beachtliche 85 - 90% aller Rückenschmerzpatientinnen und -patienten sind davon betroffen: Sie leiden an sogenannten unspezifischen, funktionellen Rückenschmerzen. Der Schmerz dürfte hier aufgrund von Störungen im komplexen Zusammenspiel von Muskulatur, Sehnen, Bändern und Gelenken entstehen, ohne dass es in den verfügbaren diagnostischen Verfahren, wie etwa Röntgen, CT oder MR sowie Laborbefunden, den Nachweis einer konkreten Ursache – beispielsweise einer Entzündung oder eines Bandscheibenvorfalls – gibt.

Ähnliches gilt für Kopfschmerzen. So weiß man heute recht genau, welche biochemischen und physiologischen Prozesse einer Migräneattacke zugrunde liegen, aber warum diese Prozesse ausgelöst werden, ist nicht abschließend geklärt.

Bei allen Formen von chronischen Schmerzen kommt es durch das wiederholte Auftreten von Schmerzepisoden im Nervensystem und insbesondere im Gehirn zur Ausbildung eines sogenannten Schmerzgedächtnisses. Das bedeutet, dass Schmerzempfindungen leichter auslösbar werden. Bei manchen Schmerzpatientinnen und -patienten können bereits harmlose Berührungsreize Schmerzen verursachen. Nicht nur körperliche, sondern auch psychosoziale Faktoren sind bei chronischen Schmerzen von Bedeutung. Belastungen, Ängste und Niedergeschlagenheit können dazu beitragen, dass Schmerzen chronisch werden. Umgekehrt wirkt sich chronischer Schmerz auch auf das seelische Befinden aus.

Wie erkenne ich chronische Schmerzen?

Der erste Ansprechpartner für Betroffene ist häufig der Hausarzt, der eine erste medizinische Untersuchung vornimmt. Je nach Art des Schmerzproblems kann eine weitergehende fachärztliche Abklärung, z.B. durch Neurologen oder Orthopäden, erforderlich sein. Ziel dabei ist es, körperliche Erkrankungen als Ursache zu identifizieren. Ist diese gefunden, kann die Grunderkrankung zielgerichtet behandelt werden.

Wie bereits erwähnt, ergibt sich in vielen Fällen kein eindeutiger organischer Befund. Dies macht die Behandlung deutlich schwieriger. Ungewissheit und Machtlosigkeit führen bei vielen Betroffenen zu psychischen Belastungen. Darüber hinaus kann sich ein belastendes Arbeits- oder Familienumfeld zusätzlich ungünstig auf den Verlauf der Schmerzerkrankung auswirken.

Das Fehlen körperlicher Ursachen bedeutet nicht, dass die Schmerzen eingebildet sind, oder dass eine psychische Störung vorliegt. Belastungen, Einstellungen, Stimmungen und das Verhalten im Alltag beeinflussen allerdings das Schmerzgeschehen, umgekehrt wirkt der Schmerz auf die Seele zurück. Aus diesem Grund sollte spätestens jetzt, neben der medizinisch körperlichen Untersuchung und Behandlung, auch eine ergänzende gesundheitspsychologische Diagnostik durchgeführt werden. Diese überprüft die Auswirkungen der Schmerzerkrankung auf die Psyche und bietet somit Anhaltspunkte, um mit den Betroffenen Möglichkeiten zu finden, mit Schmerzen umzugehen und sie bestmöglich zu bewältigen.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Bei der Behandlung von chronischen Schmerzen haben sich die sogenannten „multimodalen Behandlungsansätze“ als die erfolgversprechendsten erwiesen. Multimodal bedeutet, dass Behandlungsstrategien verschiedener medizinischer Fächer und anderer Gesundheitsberufe gebündelt werden, wie beispielsweise die allgemein- oder fachärztliche Behandlung, Physio- und Ergotherapie sowie psychologische bzw. psychotherapeutische Betreuung.

Welche Behandlungsverfahren im Einzelfall erforderlich sind, hängt von der Art der Schmerzerkrankung und dem Ausmaß, der durch den chronischen Schmerz verursachten Beeinträchtigungen ab.

Ziel der Behandlung ist vor allem die Verbesserung der Lebensqualität und persönlichen Befindlichkeit durch Verminderung der Schmerzhäufigkeit und -intensität.

Für die Mehrzahl der Schmerzpatientinnen und -patienten sind Schmerzmedikamente ein wichtiger Bestandteil der Behandlung. Wichtig ist jedoch, diese zielgerichtet einzusetzen, da sie sonst selbst schmerzauslösend wirken und damit zur Verstärkung der Problematik führen können.

Ein wesentlicher Bestandteil der Behandlung ist auch der Aufbau des eigenen Wissens über die Erkrankung: Wie entstehen Schmerzen, was genau passiert dann in meinem Körper? Wie wirkt sich der Schmerz auf meine seelische Situation aus und welche Maßnahmen kann ich selbst setzen, um eine Linderung zu bewirken?

Man weiß heute, dass Aktivität - insbesondere bei Schmerzen des Bewegungsapparates - einen der wichtigsten Bausteine in der Vorbeugung und Behandlung darstellt. Deshalb spielt die körperliche Fitness eine wichtige Rolle. Eine eben solche Bedeutung hat die psychologische Komponente: Wie sehr schaffe ich es, meine Aufmerksamkeit auf anderes als meine Schmerzen zu richten und mich trotz der Schmerzen zu entspannen und zu regenerieren? Welche Bedeutung messe ich dem Schmerz zu und wie sehr lasse ich mich von ihm „unterkriegen“?

Es gibt eine Reihe von Methoden und Maßnahmen, die man erlernen kann und sollte, um wieder ein Stück „Mehr“ an Unabhängigkeit und Lebensqualität zu gewinnen.

In der Reha-Klinik für Seelische Gesundheit gibt es eine spezielle „Schmerzbewältigungsgruppe“, die in der therapeutischen Arbeit einen Schwerpunkt auf die Behandlung chronischer Schmerzen legt. Dem multimodalen Behandlungsansatz folgend, sind die Therapieeinheiten aus den Bereichen Sportwissenschaft, Physiotherapie, Heilmassage und Ergotherapie sowie die (fach)ärztliche und pflegerische Betreuung speziell darauf abgestimmt, den Umgang mit den Schmerzen und deren Bewältigung zu verbessern.

Lesetipps

Lesetipps:

  • Claus Bischoff & Harald C. Traue (2005). Ratgeber Kopfschmerz – Informationen für Betroffene und Angehörige. Göttingen. Hogrefe-Verlag.
  • David S. Butler & Lorimer G. Moseley (2010). Schmerzen verstehen (2. Aufl.). Heidelberg. Springer Verlag.
  • Susanne Holst & Ulrike Preußiger-Meiser (2004). Erfolgreiche Schmerztherapie. München. Südwest-Verlag.
  • Birgit Kröner-Herwig (2004) Ratgeber Rückenschmerz – Informationen für Betroffene und Angehörige. Göttingen. Hogrefe-Verlag.
  • Barbara Ritzert (2006). Rückenschmerzen. Hamburg. Pfizer & Deutsche Schmerzligae.V.
  • Monika Specht-Tomann& Andreas Sandner-Kiesling (2005). Schmerz – Wie können wir damit umgehen? Düsseldorf. Patmos-Verlag.

 

Redaktion:

Dr. Andrea Jansche